Kohle, chemische Industrie … grenzenlose Umweltzerstörung
Auch in der Umweltbewegung waren sehr viele Frauen aktiv. Im November 1979 starteten die ersten Baumpflanz-Aktionen, organisiert von Jugendlichen aus Jungen Gemeinden in Schwerin. Diese Baumpflanzaktionen breiteten sich DDR-weit aus bis in die Dresdner Heide – unter Beteiligung zahlreicher besonders junger Frauen und Männer.
Bereits 1981 fand der erste Weltumwelttag unter dem Motto statt: „Mobil ohne Auto”. 1982 bis 1984 fanden kirchliche „Radsternfahrten“ statt … Treffen mit 500 bis 700 meist Jugendlichen. Die Organisation lag in den Händen von jüngeren Leuten (Frauen & Männern) DDR-weit vernetzt.
Es gab zahlreiche Proteste gegen das Waldsterben, gegen Atomkraft, gerade um Leipzig gegen die Braunkohle und die Chemische Industrie… Immer waren Frauen in Vorbereitung und Durchführung maßgeblich aktiv. Und gleichermaßen von der Staatssicherheit kontrolliert. Am 4. Juni 1989 fand in Leipzig nach einem Umweltgottesdienst der zweite Pleiße-Gedenkmarsch statt. Die Polizei zerschlägt die Demonstration mit rund 500 Menschen – Frauen wie Männern.
Wir haben 1981 Urlaub im Isergebirge gemacht. Isergebirge, Erzgebirge, sehr nah beieinander, mit riesigen Flächen von total abgestorbenem Wald. Und in Leipzig: mehrere kleine Flüsse waren schwarze Abwasserkanäle mit weißen Schaumkronen. Das konnte ich irgendwann nicht mehr ertragen und habe mich gefragt: Werden deine Kinder fragen, ob du irgendwas dagegen getan hast? Und das war ein Grund, warum ich als Diplomingenieurin in der Forschung der Wasserwirtschaft gearbeitet habe. Und auch, dass ich in der kirchlichen Arbeitsgruppe „Umweltschutz“ – hier in Leipzig unter dem Dach des Jugendpfarramts – sehr aktiv gewesen bin. […]
Aktives Handeln für unsere Umwelt hatte die Priorität wie z.B. die Aktion unserer Arbeitsgruppe im Leipziger Raum wie 1988 der Pleiße-Gedenkmarsch. Es ging um den Zustand der Flüsse am Beispiel der Pleiße. Auch Aktionen, die in Dresden entstanden waren – zusammen mit dem christlichen Umweltseminar Rötha „Eine Mark für Espenhain“ 1987 – habe ich aktiv unterstützt. Ich habe sehr viele Unterschriften gesammelt bzw. den „Eine-Mark-Beitrag“. Das war ja der Witz an der Sache: Unterschriften sammeln war in der DDR untersagt, also da drohte Strafe. Also wurde es eine Spendenaktion – und dass jeder mit seiner Unterschrift eine Mark gegeben hat für die Rekonstruktion der Braunkohlenschwelerei in Espenhain. Das Espenhainer Braunkohlewerk hatte enormen Einfluss auf die Luftqualität ringsherum. Bei dieser Aktion hat man auch ganz deutlich gemerkt, wie belastend die Situation für die Bevölkerung war: Manche waren sofort bereit zu unterschreiben. Ich habe nach Gottesdiensten „die eine Mark für Espenhain“ gesammelt – auch in meinem Kollegenkreis oder in dem Haus, in dem wir wohnten. Und da waren natürlich welche, die sagten „Oh nein, das mach ich gar nicht“, andere waren zögerlich, da hat die Frau unterschrieben, der Mann hat aber gesagt „Nee, lieber nicht“. Das war ein Spiegelbild: Geschimpft haben sie fast alle, aber dann tatsächlich mal kleine konkrete Schritte zu gehen, da fehlte noch viel. … natürlich, es könnte irgendjemand herausbekommen, dass ich da unterschrieben habe, mit Nachteilen für mich … im Betrieb oder irgendwo. […]
Zum Beispiel am 9. Oktober 1989: Wir haben einen Aufruf „Keine Gewalt“ verteilt. Es war ein Aufruf der drei Arbeitsgruppen und auch die Arbeitsgruppe Umweltschutz hatte sich beteiligt. Es sollte unbedingt Gewaltanwendung vermieden werden. Da waren auch Stasi-Leute – oft erkennbar an ihrem Outfit und an ihrer Mimik oder Statur – und auch denen habe ich den Keine-Gewalt-Aufruf in die Hand gedrückt. Die haben mich dann kurz auf die Polizei-Wache mitgenommen. Und da musste ich dann irgendwie klarstellen, dass ich grundsätzlich gegen jegliche Gewalt bin – nicht nur gegen die Gewalt des Staates, sondern auch „gegen die Gewalt der Demonstrierenden“. […]
Gisela Kallenbach
1989: aktiv in der Arbeitsgruppe Umweltschutz unter dem Dach der Kirche, 3 Kinder, Diplom-Ingenieurin, 1990-1991 parteilose Stadtverordnete für die Fraktion Grüne/UFV der Ratsversammlung Leipzig, 1991-2000 persönliche Referentin im Dezernat für Umweltschutz und Sport (seit 1994 Dezernat für Umwelt, Ordnung, Wohnen), 2000-2003 Mitarbeiterin der UNO (UN-Mission im Kosovo), 2004-2009 Mitglied des Europäischen Parlaments, 2009-2014 Mitglied des Sächsischen Landtags