Kritische Kunst als Reflektion von Gesellschaft

Kunst als Reflektion von Alltäglichem kann wesentliche Impulse für gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen initiieren. Kunst war und ist so immer eine Möglichkeit, um real existierende Ambivalenzen von Gesellschaften bzw. menschlicher Existenzen (die eigene eingeschlossen) zu thematisieren und den öffentlichen Dialog zu suchen bzw. herauszufordern. Dieses Verständnis von Kunst war und ist wesentlicher Aspekt im Tun kritischer Künstler:innen – damals wie heute.



Ich war immer freischaffend. Das hing damit zusammen, dass ich 1983 ja eine ein bisschen unbeliebte Studentin war, weil ich mich ja mit bestimmten Themen beschäftigt habe – mit Punks und Jugendwerkhof. An der HGB [Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig] war das damals so üblich, dass die Studierenden, die Absolventen, immer Stellen-Angebote von irgendwelchen Industrieunternehmen oder Kultureinrichtungen bekommen haben, wo sie dann als Fotografen tätig waren. Und mich wollte aber unter dem Aspekt, dass ich irgendwie so ein bisschen opportunistisch war, keiner wirklich haben. Und so habe ich ein Zusatzstudium an der Hochschule bekommen: 1985 bei Emil Richter am “Institut für Jugendforschung” und danach habe ich mich dann auch ein bisschen zurückgezogen, weil dann 1985 und 1987meine beiden Töchter kamen…

Meine beruflichen Interessen hängen wahrscheinlich auch mit meiner Familie zusammen. Mein Vater war auch schon Fotograf, bin ich halt Fotografin. Ich liebe den Beruf bis heute noch unglaublich und die Auseinandersetzung und die Möglichkeiten, die sich mit diesem Medium bieten, finde ich einfach nach wie vor so spannend. Das betrifft die damalige Zeit im analogen Arbeiten, aber eben bis heute im digitalen. Aber damals war es eben wirklich so, dass ich eigentlich alles ausgereizt habe, was irgendwie mit diesem Medium zusammenhing. Die wichtigsten Projekte waren damals entstanden, dass ich mich wirklich gern auseinandergesetzt habe mit jungen Leuten – die nur unwesentlich jünger waren als ich. Deswegen habe ich auch diese Themen gewählt, wie zum Beispiel die Punks damals, aber auch andere Jugend- und Randgruppen. Oder die Situation in einem Jugendwerkhof, die ich fotografisch dokumentiert habe. All diese Themen sind aus Interesse entstanden, weil ich einfach wissen wollte, wie leben diese jungen Menschen, wie geht’s ihnen? Im Jugendwerkhof waren die, die ich besuchen durfte, Mädchen: Wie geht’s den Mädchen in so einer Einrichtung? Diese Dinge waren für mich spannend, das wollte ich fotografisch dokumentieren – und ich wollte das auch wissen. […]

Die Nachwendezeit war für mich eigentlich die aufregendste Zeit – fotografisch gesehen, weil man überall reinkam. Man hatte keine Grenzen, wie man sie heute wieder hat oder wie man sie davor hatte. In dieser Zeit, da konnte ich losgehen, konnte mir eine Mütze aufsetzen oder eine Kittelschürze anziehen, wenn ich in irgendeinem Betrieb war oder sonst etwas. Eigentlich hatte ich das Gefühl, mir gehört die Welt und ich kann alles fotografieren. Dass ich dann auch noch das Glück hatte, dass Kollegen aus den alten Bundesländern kamen und anboten, dass wir zusammen eine gemeinschaftliche Agentur machen und für so einflussreiche Zeitschriften, wie Spiegel, Stern – alle die da existierten – die TAZ, arbeiten konnten, das war für mich sensationell und das habe ich wirklich die ersten Jahre über richtig genossen. Das hat sich über die Jahre dann auch wieder verändert, weil alles natürlich auch mehrere Seiten hat, aber die Nachwendezeit war arbeitstechnisch gesehen eine aufregende Zeit.

Christiane Eisler

1989: freischaffende Dipl.-Fotografin, verheiratet, 2 Töchter; 1990 Gründung der Fotoagentur „transit Leipzig”, seitdem fotografisch tätig für Zeitschriften und Magazine, Gewerkschaften, Stiftungen, Unternehmen, Werbeagenturen und Verlage