Kurzer Überblick zur gleichstellungspolitischen Situation in der DDR bis 1989/1990.
In der DDR war die Gleichstellung und Erwerbstätigkeit der Frauen im Gesetz und in verschiedenen Maßnahmen festgeschrieben. In der Verfassung der DDR von 1949 heißt es in Art. 7: „Mann und Frau sind gleichberechtigt. Alle Gesetze und Bestimmungen, die der Gleichberechtigung entgegenstehen, sind aufgehoben.“
1952 wurde in der DDR der Haushaltstag gesetzlich – für verheiratete Frauen eingeführt. In verschiedenen Ergänzungen galt er auch für unverheiratete Frauen mit Kindern unter 18 Jahren bzw. für unverheiratete Frauen ab 40 Jahren ohne Kinder sowie auch für Männer unter bestimmten Bedingungen. Nach der Wiedervereinigung wurde der Haushaltstag mit Wirkung zum 1. Juli 1994 abgeschafft.
Auf dem VIII. Parteitag der SED 1971 wurde von der SED-Parteispitze „festgelegt“, dass die „Gleichberechtigung der Frau nach dem Gesetz und auch im Leben“ verwirklicht worden sei. Frauenpolitische Maßnahmen wurden danach zur Bevölkerungs-, Familien- oder Vereinbarkeitspolitik „transformiert“. So gab es ab 1971 zahlreiche Erleichterungen für die „berufstätige Frau“ – umfassende Kinderbetreuung: Krippe, Kindergarten, Schule, Hort mit Mittagessen; es entstanden Reinigungskombinate (ReiKo), um Hauswäsche (Bettzeug, Handtücher etc.) waschen zu lassen und weitere unterstützende Angebote.
Stereotype geschlechtsspezifische Zuschreibungen waren dadurch nur partiell aufgehoben. (1)
Nach dem Schulabschluss wechselten in der DDR alle Jugendlichen in eine Berufsausbildung oder zum Studium – oft verbunden mit Lenkung von jungen Frauen* in technische Berufe.
Die Leipziger Soziologin UTA SCHLEGEL fasste die Lebensumstände der DDR-Mädchen und -Frauen ab 1970 bis 1989 wie folgt zusammen (2):
Typisch für den Lebenszusammenhang der DDR-Frauen waren mehrheitlich folgende Lebensumstände:
1. In Schul-/Berufs- und Hochschulausbildung nivellierten sich deutlich traditionelle Geschlechtsunterschiede z.B. nach Berufsspektrum bzw. Geschlechteranteilen im Hochschulzugang. Frauen schlossen ihre Ausbildungen in „regulären” Zeiten ab und hatten dabei in ihrer späteren Berufsbiografie direkte Übergänge, ebenso nach der Geburt von Kindern.
2. Ihre Erwerbsarbeit übten sie in qualifizierten (erlernten, studierten) Berufen aus mit vergleichsweise breiterem Berufsspektrum – einschließlich geschlechterparitätischen Hochschulzugangs seit den 1970er Jahren.
3. Sie standen über die Lebensspanne in kontinuierlicher Berufsarbeit, mehrheitlich in Vollzeit und überwiegend in unbefristeten Arbeitsrechtsverhältnissen mit sehr langen Betriebs-/ Kombinats-/Institutszugehörigkeiten und in aller Regel mit beruflichem Aufstieg.
4. Frauen verfügten über gesellschaftliche Rahmenbedingungen einer Vereinbarung von Beruf und Familie.
5. Damit verfügten DDR-Frauen in ihrem gesamten Lebenslauf über ökonomische Selbstständigkeit, die relativ früh bereits im Jugendalter erreicht wurde.
6. Typisch waren eine vergleichsweise frühe Eheschließung und die Geburt des ersten Kindes (im 22./23. Lebensjahr) ohne langjährige Familienpause (ausgenommen die gesetzliche Freistellung der bezahlten Elternzeit bis zu 12 Monaten seit 1976).
7. Frauen hatten die Möglichkeit des ausschließlich selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs.
8. In Familien und Lebensgemeinschaften wurden „im Verlauf von 40 Jahren DDR“ häusliche Arbeiten zunehmend gleichberechtigter geteilt.
9. Frauen wie Männer akzeptierten und nutzten in hohem Maße außerhäusliche Kinderbetreuung.
10. Schon seit den Anfangsjahren der DDR leiteten Frauen ihr Selbstverständnis und – Bewusstsein von sich selbst und von ihren eigenen Leistungen ab, nicht mehr vom beruflichen oder gesellschaftlichen Status der Ehemänner.
11. Die kulturellen Muster der Hausfrau und der Hausfrauenehe wurden in der DDR nicht mehr gelebt und galten als historisch überholt.
13. Frauen zeigten – angesichts der Fokussierung der Ehe auf die Beziehungsqualität und angesichts ihrer mangelnden finanziellen Bedeutung – eine relativ hohe Scheidungsneigung, zumal Scheidung leicht realisierbar war und nicht (auch nicht mit Kindern) an den Rand der Gesellschaft führte.
Das ganz überwiegend gelebte Lebensmuster der DDR-Frauen war charakterisiert von einer „ökonomischen und reproduktiven Autonomie”. Demgegenüber sollen als Einschränkungen in der Gleichstellung der Geschlechter in der DDR folgende drei Punkten genannt werden:
a) Die vorgenannten Gleichstellungsfortschritte waren von den Frauen nicht selbst erstritten, weil sie vom Staat DDR auf paternalistische Weise realisiert worden waren, d.h. von oben nach unten: Frauen waren im Kern Objekt von Politik – und im Wesentlichen als Subjekte/Akteurinnen bezüglich politischer Strategien und Entscheidungen im Wesentlichen ausgeschlossen.
b) Es gab in der DDR keinen öffentlichen gesellschaftlichen Diskurs über die Geschlechterverhältnisse – bedingt nicht nur durch die totalitären DDR-Verhältnisse einschließlich einer fehlenden politischen Kultur, sondern auch getragen von einer verbreiteten Würdigung der Leistungen des Staates zur Förderung der weiblichen Erwerbsarbeit und strukturellen Entlastung der Familien.
c) Insbesondere letzteres hat – im Kontext des weitgehenden Fehlens evidenter Frauendiskriminierung (wie Pornographie, sexistische Werbung) – dazu geführt, dass die DDR-Frauen selbst subtile Diskriminierungsmechanismen qua Geschlecht nicht oder kaum wahrgenommen und thematisiert haben; schlicht dafür nicht sensibilisiert waren.
Nur vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, wieso DDR-Frauen* Konflikte in der Alltagsbewältigung auf die individuelle Ebene mehrheitlich internalisiert haben. Die Blindheit gegenüber eigener struktureller Benachteiligung aufgrund des Geschlechts und eine fehlende breite politisch aktive Frauenbewegung haben mit dazu geführt, dass DDR-Frauen* eine große Distanz zum Feminismus zeigten.