Roselies Pollter

Roselies Pollter

1989: 39 Jahre, verheiratet, drei Kinder, Leiterin der Kinderkrippe in Holzhausen

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Wir waren sieben Personen hier im Haushalt. Neben den drei Kindern waren noch die Schwiegereltern, die ich zu versorgen hatte. Es war ein ganz anderes Leben. Man musste sich selbst um die Dinge kümmern. Ob das der Anbau des Hauses oder die Erdbeeren waren oder Gemüse. Dann wurde eingekocht – gerade im Herbst. Also, da war schon viel Arbeit, so dass man eigentlich außer für Beruf und Familie kaum Zeit hatte für anderes. Ich hatte aber auch nie Schlafstörungen. Ich bin abends ins Bett gefallen und habe geschlafen. (lacht) Das ist heute anders. Heute sage ich manchmal, ich könnte Zeitungen austragen, denn die Nacht ist manchmal um 3 Uhr um. Das ist früher nie passiert. Ich habe damals selber genäht, für die Kleine Kleidchen und Röckchen, Jacken. Man hat das alles selber gemacht, auch gestrickt. Da blieb nicht mehr so viel Zeit. Man hatte auch seinen Bekanntenkreis.

Für mich war damals auch nicht dieser Ruf nach Freiheit das Ausschlaggebende. Freiheit, reisen zu können. Für mich war die Meinungsfreiheit wichtiger. Heute ist die Freiheit da. Man könnte überall hinreisen. Aber wer kann es denn noch? Das ist ja genauso was: Es gab immer welche, die konnten früher reisen und können es auch heute. Aber es wird immer welche geben, die mit ihren finanziellen Mitteln unheimlich rechnen müssen. Und vielleicht sind es heute noch mehr Leute, weil ich auch das Gefühl habe, es gibt eine größere Kluft zwischen Arm und Reich, die entstanden ist – auch mit der Arbeitslosigkeit. Das kannte man früher nicht, dass man arbeitslos war. Wer seine Arbeit gut gemacht hat, der behielt seine Arbeit. All dies hat uns unheimlich geprägt, auch als Familie. Mein Mann wurde dann arbeitslos. Das ist schon ein Einschnitt.

Weiterlesen: in „Mutter sorg’ dich nicht. Hier ist alles in Ordnung. Alltägliches aus 1989“. Publikation der Frauenkultur Leipzig, 2009; 2. Auflage in 2021. Klick hier ->