1989: 31 Jahre, verheiratet, aktiv in verschiedenen Initiativen; 1990 Geschäftsführerin der Fraktion Grüne/Unabhängiger Frauenverband der Ratsversammlung Leipzig … 1994 bis 2020 Leiterin des Kulturamtes der Stadt Leipzig
Susanne Kucharski-Huniat
Nach dem Schulabschluss 10. Klasse absolvierte ich eine Lehre zur Buchhändlerin (mein Ausbildungsbetrieb war der Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel (LKG)) und anschließend ein berufsbegleitendes Studium an der Fachschule für Buchhandel Leipzig. Durch mein Elternhaus geprägt engagierte ich mich zunächst gesellschaftskonform – war Pionier, dann Mitglied der Freien Deutschen Jugend, der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund und wurde mit 19 Jahren Kandidatin der SED. Die Kandidatenzeit betrug zwei Jahre. In diesen zwei Jahren veränderte sich mein Weltbild total. Ereignisse u. a. wie die Ausbürgerung von Wolf Biermann, der Weggang vieler mich prägender Künstler, Schriftsteller, wie Reiner Kunze, Günther Kunert, Solidarność bestärkten meine zunehmende Ablehnung gegen das DDR-System.
1979 mit 21 Jahren lernte ich außerdem den Leipziger Künstler Günther Huniat kennen und erhielt durch ihn Zugang zu Künstlerkreisen, zu Studentengruppen, zu Menschen unterschiedlicher Berufsgruppen und aus dem westlichen Ausland. Ich war inmitten verschiedener künstlerischer und politischer Aktionen. Ich wurde zunehmend kritischer und forderte meinen Arbeitgeber regelrecht heraus. Ich gestaltete Wandzeitungen mit kritischem Inhalt. Man setzte sich mit mir auseinander. Ich wollte nicht in die SED aufgenommen werden. Mein Vater beschwor mich, nicht in die Opposition zu gehen, da ich mir mein ganzes Leben damit vermasseln würde. Ich wurde Mitglied der SED und versuchte von innen heraus etwas anzustoßen und zu verändern. Das brachte nur Ärger. Auf einer Mitgliederverssammlung der SED-Parteiorganisation des LKG 1983 legte ich dar, warum ich nicht mehr Mitglied der SED sein möchte und kann – und deshalb aus der SED austreten werde. Der selbstbestimmte Austritt aus dieser Partei war jedoch nicht vorgesehen und möglich. Es wurde gegen mich ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet, an dessen Ende ich aus der SED ausgeschlossen wurde. Das führte letztlich dazu, dass das Arbeitsverhältnis mit mir aufgelöst wurde. Zuvor war ich aus der FDJ und aus dem FDGB ausgetreten. Ich fand keine Anstellung in meinem Beruf. 1985 und 1986 arbeitete ich als Lichtpauserin im Betrieb der Eltern einer Freundin, dann als Fachverkäuferin und ab Mai 1988 bis August 1990 durch Vermittlung des Autors Bernd Lutz Lange als Sekretärin bei der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Die Arbeit in der Jüdischen Gemeinde hat mich ungemein bereichert und bis heute Auswirkungen auf mein Leben.
Leipzig, die DDR, war meine Heimat. Ich wollte mich nicht vertreiben lassen, sondern Dinge hier verändern. Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit, freier Zugang zu Medien, Literatur, zu den Künsten allgemein, Ende von Heuchelei und Vetternwirtschaft, saubere Umwelt, Verbesserung der Stellung von Frauen, Ende der SED Herrschaft, Rechtsstaatlichkeit – waren Dinge, für die ich mich engagierte. Ab Ende September 1989 nahm ich an Montagsdemonstrationen teil. Mein größter Wunsch war eine politische „Revolte“, die zu Veränderungen des Systems führt. Die DDR sollte grundlegend reformiert werden.
Weiterlesen….. Bericht zum 09.10.1989 -> Klick hier
Das gesamte Interview wird im gerade entstehenden Offenen feministischen Demokratie-Archiv | OfemDA einsehbar sein. Siehe hier