Isolde Alicke

1989: 39 Jahre, geschieden, 1 Sohn, Fotolaborantin; gehörte im Frühjahr 1989 zu den „Lila Ladies von Mockau”; Mitglied des Neuen Forum (NF); Sammlung von Unterschriften-Listen für das NF; Herstellung und Verteilung von Flugblättern

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Isolde Alicke

Ich gehörte zu den „Lila Ladies von Mockau”. Die „Lila Ladies” haben sich aus der evangelischen Kirchgemeinde herausgebildet. Das war ungefähr im Frühjahr ’89. Wir haben gesagt: Der letzte Versuch. Wir waren etwa 14 Frauen, alleinerziehend, verheiratet oder wie ich geschieden. Eine junge Studentin, die später Pfarrerin geworden ist, las später in ihrer Stasi-Akte: Der Charakter der „Lila Ladies” ist bis jetzt noch nicht erkennbar. Wir haben uns ja über Tod und Teufel unterhalten. Wir trafen uns einmal im Monat, aber außerhalb der Kirche, in einer Wohnung. Es war also nicht unter dem Dach der Kirche, aber wir waren alle Christinnen.

Wir haben schon überlegt, was wir tun können. Daraus entstand die Idee, dass wir eine Eingabe an Margot Honecker schicken. Wir gestalteten ein Plakat und schickten dieses dann als Rolle mit allen Unterschriften weg. Wir wollten unbedingt, dass Friedenskunde statt des Wehrkunde-Unterrichts in den Schulen eingeführt wird. Wir dachten, dass sich Frau Honecker, die Bildungsministerin der DDR, bei uns melden wird. Wir hatten gehofft, dass eine Resonanz kam. Die kam aber nicht. Dieser Brief ist abgefangen worden. Der liegt nun in den Annalen. […]

Als plötzlich die Wiedervereinigung im Vordergrund stand und sich andere Leute vor die Demos spannten, konnte ich nicht mehr gehen. Die Wiedervereinigung, das war die Nicht-Aufgeklärtheit der Masse, die mitgegangen ist und sich selbst nie mit Politik beschäftigt hat. Wenn mehr Informationen in den Köpfen gewesen wären, wäre es nicht so schnell zu einer Vereinigung gekommen. Vielleicht hätte es eine Föderation gegeben. Die Masse hat sich mitziehen lassen, aber nicht gewusst, wohin. Es klang bloß alles rosa. […]

Weiterlesen: in „Mutter sorg’ dich nicht. Hier ist alles in Ordnung. Alltägliches aus 1989“. Publikation der Frauenkultur Leipzig, 2009; 2.Auflage in 2021. Klick hier ->