Eva Lehmann-Lilienthal

1989: 58 Jahre, verheiratet, 2 Söhne, Philosophin, Zentralhaus für Kulturarbeit der DDR und inhaltlich-methodische Beratung der staatlichen Kulturhäuser

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Eva Lehmann-Lilienthal

Ab Mitte 1990 befand ich mich im Vorruhestand und hatte nun Zeit. Entsprechend meinen gesellschaftlichen Interessen stürzte ich mich sofort in die gesellschaftliche Arbeit. Es gab einen Aufruf, der den Jüngeren vielleicht nicht so bekannt ist, mitzuarbeiten an einer neuen demokratischen Verfassung für Gesamtdeutschland – entsprechend einem Passus im Grundgesetz der BRD, dass Deutschland dann eine Verfassung braucht, wenn eine Vereinigung zustande kommt. Das Ding heißt ja Grundgesetz und nicht Verfassung – und war ja eigentlich vorläufig gedacht gewesen, nur für die Zeit bis zur Vereinigung. So entstand die erste gesamtdeutsche Bürgerbewegung unter Leitung des Bürgerrechtlers Wolfgang Ullmann: „In freier Selbstbestimmung für eine gesamtdeutsche Verfassung mit Volksentscheid”.

Wichtig war die Person Wolfgang Ullmann. Großartig! Und wichtig ist vor allem auch zu sagen, wie wir äußerst demokratisch in zehn Arbeitsgruppen gearbeitet haben. Ich gehörte zur „Arbeitsgruppe Menschenrechte”. Sie wurde geleitet von einer Frau von amnesty international, Edith Müller hieß sie. Ich fand sie ganz fantastisch. Es war mein erster Kontakt mit Menschen aus Westdeutschland, der grundsätzlich positiv war. Es waren alles demokratisch eingestellte Menschen aus den unterschiedlichsten sozialen, philosophischen und politischen Gruppierungen. Wir haben das ganze Grundgesetz durchgenommen. Stück für Stück haben wir darüber diskutiert. Und dann kamen Vorschläge von den Einzelnen für Änderungen oder wir haben gesagt: Nein, das kann so bleiben, usw. Es gab natürlich extrem unterschiedliche Meinungen.

Weiterlesen: in „Mutter sorg’ dich nicht. Hier ist alles in Ordnung. Alltägliches aus 1989“. Publikation der Frauenkultur Leipzig, 2009; 2. Auflage in 2021. Klick hier ->